Unser ca. 800 qm großes Grundstück befindet sich auf knapp 900 m Höhe oberhalb des Ortskerns von St. Ulrich am Pillersee im Tiroler Bezirk Kitzbühel. Im Norden und Osten grenzen Mahdwiesen an, im Süden und Westen befindet sich ein kleines Areal mit den ursprünglichen Matten.
Die Umgebung unseres im Jahr 2000 errichteten Hauses kenne ich aus den 60er Jahren noch als beweidetes, von Wacholder, Berberitzen, Weiden und Jungfichten/-lärchen bestandenes Weidegebiet. Als wir 1999 unser Grundstück kauften, war die naturbelassene Fläche auf etwa 4.500 qm geschrumpft. Es hatte sich ein dichter Gehölzbestand entwickelt. Die übrigen Flächen wurden im Verlauf der Jahrzehnte in mit Gülle und Mist gedüngte Mahdwiesen oder aber in Baugrundstücke umgewandelt. Zwischenzeitlich gab es direkt daneben auch eine Kiesgrube, die schon seit Ende der 80er Jahre außer Betrieb ist, zunächst als Weide diente und 2021 in eine Mahdwiese umgewandelt wurde. Ein großer Teil dieses Areals befindet sich sehr nahe am Grundwasserspiegel, ist nach ergiebigen Regenfällen stets überschwemmt und beherbergte deshalb zahlreiche feuchtigkeitsliebende Pflanzen- und Tierarten. Das dürfte nun vorbei sein, denn die neue Wiese wird mehrfach jährlich gedüngt, was insbesondere die Orchideen gar nicht mögen.
Kurz bevor wir unser Grundstück erwarben, hatte man fast den gesamten Fichten-, Kiefern-, Weiden- und Wacholderbestand auf der verbliebenen Almfläche gerodet. Wir hatten vor der Rodungsaktion drei Fichten markiert, damit man sie stehen lässt.
So sahen unser Grundstück und das Almgelände unmittelbar nach der Baumfäll-Aktion aus. Rechts weidet Nachbars Haflinger-Stute "Sunny".
Mir fiel bald auf, dass sich auf unserem Grundstück viele floristische Schätze befanden - soweit man dies im Spätherbst überhaupt noch feststellen konnte.
Mein Ziel war es von Anfang an, die noch vorhandene "Urlandschaft" weitgehend zu erhalten. So stach ich vor Aushub der Baugrube allerlei Pflanzen möglichst großzügig aus und lagerte sie neben der künftigen Baustelle, um sie ab dem Frühjahr z.B. auf den später eingekürzten Baumstümpfen oder auf abgetragenen bzw. aufgeschütteten Flächen wieder anzusiedeln. Auf diese Weise begann ich noch während der Phase des Hausbaus ca. 30 qm vollkommen zerstörter "Alm" wieder herzustellen - dabei den Schattenwurf von zwei größeren Fichten berücksichtigend.
Kennzeichnend für den Bodenaufbau des Almgeländes ist ein sehr dünner, fast schwarzer A-Horizont (= die Humusschicht, im Durchschnitt 5-10 cm mächtig), unter dem sofort der Dolomitschutt (C-Horizont) folgt. Ein B-Horizont (Verwitterungshorizont) ist nicht vorhanden. Dicker ist die Humusschicht lediglich in den Senken, wo sie bis 50 cm erreichen kann. Einen solchen Boden nennt man "Kalk-Rohboden" bzw. im geomorphologischen Fachchinesisch "Rendzina".
Jeder sagte mir, einmal zerstörte Matten könne man als solche niemals renaturieren. Daran wollte ich einfach nicht glauben. Ich schaute mir also die Pflanzenzusammensetzung in unserer Umgebung an und setzte das Beobachtete in monatelanger Kleinarbeit um. Dies war äußerst mühsam, denn es wurde jedes einzelne Pflänzchen so platziert, dass es zur umgebenden Vegetation passte. Heute kann ich sagen: Es hat geklappt. Das neu angelegte Almgelände unterscheidet sich schon seit vielen Jahren nicht mehr von dem ursprünglichen Gelände.
Inzwischen beschränkt sich die "Urlandschaft" auf das westliche Drittel unseres Grundstücks, die auf dem westlich gelegenen Nachbargrund (das wir im Herbst 2010 zwecks Pflege unserem Grundstück zuschlagen durften) ihre Fortsetzung findet. Die "Alm" geht im mittleren, Südteil des Gartens in einen kleinen Wiesenbereich über, an dessen nördlichem Rand sich ein winziger, mit Wildblütenpflanzen durchsetzter Kräuter-/Erdbeergarten befindet. Das östliche Drittel (Vorgarten der Ferienwohnung im Haus und unser eigener Eingang) besteht aus einem Zier-/Steingarten, der sich allerdings ebenfalls überwiegend aus heimischen Pflanzenarten zusammensetzt.
Unser Haus mit der gerodeten Almfläche im Vordergrund (Mai 2003). Rechts sieht man Walliser Schwarzhalsziegen.
Das Wichtigste bei der Anlage eines Naturgartens ist und bleibt neben Geduld die aufmerksame Beobachtung!
Wer in unmittelbarer Nähe des Grundstücks einen naturbelassenen Bereich vorfindet (z.B. ein Brachgelände), kann sich glücklich schätzen. Dann kann nämlich das Beobachtete im eigenen Garten direkt umgesetzt werden, allerdings aufgrund des Gebäudes die entstandenen kleinklimatischen Verhältnisse berücksichtigend. Diese sind in unserer Höhenlage besonders ausgeprägt, im Tiefland sind sie wesentlich geringer.
Mittlerweile sind viele Jahre vergangen, und ich stellte eines Tages fest, dass in unserem Garten nicht nur die Flora, sondern auch die Fauna, besonders die Insekten- und Spinnenfauna, ausgesprochen vielfältig ist.
Vielleicht ist meine Art der Gartengestaltung für den einen oder anderen eine Anregung, etwas Ähnliches zu versuchen, wobei ich betonen möchte, dass ein solcher Garten keineswegs wenig Arbeit bedeutet. Hinzu kommt, dass Nachbarn, die gestylte Beete und rasierte Rasen bevorzugen, im allgemeinen wenig begeistert von derartigen Experimenten sind, da zwangsläufig Samen verschleppt werden. Wir haben das große Glück, keine direkten Nachbarn zu haben. Ich kann mich also nach Herzenslust austoben.