Ende Mai 2009
Bei uns hatte es im Frühling sicherlich fast jeder bemerkt: Die Distelfalter (Vanessa cardui) flogen tagtäglich in Massen Richtung Norden, und zwar in einem Ausmaß, wie ich es noch nie erlebt habe. Am 25. Mai zählte ich in einer einzigen Minute weit über 100 Falter, die zielstrebig Richtung Nordosten flatterten. Nahezu bei jedem Schritt entlang der Mahdwiesen scheuchte man rastende Tiere auf.
Diese Wanderung stand bei uns auch schon in der Zeitung:
LINZ. Bei Insektenexperten wie Martin Schwarz vom Naturschutzbund und Friedrich Gusenleitner vom Biologiezentrum Linz laufen seit Tagen die Telefone heiß: Anrufer haben riesige Schmetterlingsschwärme gesichtet. Schwarz: „Viele Millionen von Distelfaltern wandern derzeit quer durch Mitteleuropa. Ich habe am Sonntag hunderte in meinem Garten in Kirchschlag gesehen. Seit Jahrzehnten konnten keine solchen Massenwanderungen beobachtet werden.“ Die Distelfalter hätten sich heuer vermutlich wegen des feuchten Winters in Nordafrika besonders stark vermehrt. Viele seien schon im März nach Südwesteuropa geflogen.Die nächste Generation fliege auf Nahrungssuche nach Mittel- und Nordosteuropa, bevor im Sommer die Rückwanderung beginne. Die Falter ernähren sich von Blütennektar, die Raupen fressen Raublattgewächse (Disteln). (fsa)
Quelle: http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/art4,182080
Die Falter kommen aus der Sahelzone Nordafrikas, von wo aus sie Richtung Norden nach Europa, in geringerem Maße auch Richtung Süden nach Südafrika ziehen. Die Tiere pflanzen sich bei uns fort, meist an Disteln, mitunter aber auch an Brennesseln. Im Herbst, wenn es allgemein kühler wird, versuchen die bei uns geschlüpften Tiere wieder nach Nordafrika zu ziehen, schaffen die Alpenüberquerung aber meist nicht und verenden. Jährlich findet man auf den alpinen Gletschern Tausende toter Distelfalter.
Es gibt Jahre, in denen der Distelfalter nördlich der Alpen kaum gesichtet wird, in anderen Jahren findet er sich selbst auf Spitzbergen oder Island ein. Bei uns in den Alpen ist er jedes Jahr häufig.
9. Juni 2009
Der Zug Richtung Nordost ist seit ungefähr einer Woche beendet. Im Nachhinein kann man sagen, dass diese Massenwanderung die extremste seit vielen Jahrzehnten war.
Wir haben zwar nach wie vor extrem viele Distelfalter, doch haben sich diese Tiere zwecks Vermehrung hier niedergelassen. Inzwischen findet man vor allem an der Gemeinen Kratzdistel (Cirsium vulgare) und an der Acker-Kratzdistel (C. arvense) jede Menge Jungraupen. Ob es die neue Generation im Herbst schafft, wieder bis nach Nordafrika zu gelangen, hängt sehr von der herbstlichen Großwetterlage ab. Die bei uns entstehende Sommergeneration schafft es oft, doch die weit nach Norden geschlüpften Tiere werden es auf ihrem Weg nach Süden schwer haben, den Flug über die Alpen zu überleben.
15. Juni 2009
Anscheinend ist die Wanderung der Distelfalter noch immer nicht beendet, denn am heutigen heißen Tag traf ich wieder auf Tausende von Faltern, die zielstrebig Richtung NNO flogen. Sehr viele Falter sind aber hier geblieben und haben für Nachkommen gesorgt. Auch an den Disteln unseres Gartens befinden sich einige Raupen.
17. Juli 2009
Der Distelfalter vermehrt sich sehr eifrig. Es gibt bei uns kaum eine Distel, an der keine Raupen oder Puppen zu finden wären. Auch winzige Jungraupen sind noch zu finden. Teilweise werden auch Brennesseln, Malven und sogar Spitzwegerich von den Raupen gefressen. Sehr viele Tiere sind parasitiert, d.h. aus ungefähr zehn Puppen schlüpfen nur 1-2 gesunde Falter. Auf der Weide nebenan sind Heerscharen von Schlupfwespen unterwegs. Eine solche ist auch aus einer meiner Distelfalter-Puppen im Aufzuchtkasten geschlüpft.
27. Juli 2009
Die neue Generation des Distelfalters ist da, und seit einigen Tagen bemerke ich einen vermehrten Zug Richtung Süden. Offenbar sind die Tiere jetzt schon auf dem Rückweg nach Südeuropa und Nordafrika.
September 2011
Das erste Jahr, in dem ich keinen einzigen Distelfalter sichtete - weder auf dem Durchflug noch an einer der hiesigen Disteln! So etwas ist genauso ungewöhnlich wie jene Invasion im Jahr 2009.